„Von Guten Mächten wunderbar geborgen“
Um lieben zu können, müssen wir in Beziehung sein. Und um ganz und gar Mensch zu sein, müssen wir es auch. Über die Beziehung zu dem, was Größer ist als wir selbst.
Lieber Miko,
Hast du es auch schon gehört? Einige flüchtige Leser, die unseren Austausch nicht wirklich verfolgen, sondern nur ab und zu einen Begriff aufschnappen, der in unseren Texten erscheint, scheinen überzeugt zu sein, dass dein Opa nicht ernst zu nehmen sei, weil er nach ihrer Meinung die Menschen „zum Christentum bekehren“ wolle.
Du und ich, wir wissen sicher nicht alles, doch zwei Dinge wissen wir: Erstens, dass es notwendig ist, die Dinge zu tun, die man für richtig hält. Auch wenn es viele Menschen nicht verstehen, und nicht sehen, dass man sich sehr lange und sehr gut überlegt hat, warum es richtig ist, muss man seinem Gewissen folgen. Die Alternative würde nur darin bestehen, das, was man für richtig hält, nicht zu tun – und das ist keine Alternative. Zweitens wissen du und ich, das es mir weder darum geht, jemanden „zum Christentum zu bekehren“, noch überhaupt jemanden zu „bekehren“ .
„Bekehren“ nämlich bedeutet zunächst einmal, „zur Umkehr bewegen“. Also: die Ursache sein dafür, dass jemand umkehrt auf einem Weg, auf dem er oder sie sich befindet. Diese „Ursache“ aber kann und will ich nicht sein. Umkehr ist nur dann gegeben, wenn jemand aus sich heraus den umgekehrten Weg einschlägt. Und dazu muss er oder sie erkennen, dass es gut und richtig ist, umzukehren. Die Ursache ist dafür also Gott. Denn Gott ist die Ur-Sache. Der erste Grund.
Wenn ich also dazu beitragen kann, dass jemand diesen Ur-Grund erkennt, dann ist es gut für mich. Aber „bekehrt“ habe ich dadurch niemanden. Das ist leicht zu verstehen.
Schon gar nicht habe ich damit jemanden zum Christentum bekehrt. Denn: was ist “das Christentum” eigentlich?
Die Menschen verbinden sehr viele und sehr unterschiedliche Vorstellungen mit dem Wort Christentum. Manche verstehen darunter „die Christliche Kirche“. Sie wissen aber meistens nicht, dass dieser Begriff weder die Organisation der römisch-katholischen Kirche beschreibt, noch jene der Evangelischen Kirche (von denen es mehrere Organisationen gibt). Es ist vielmehr „nur“ ein Begriff für etwas sehr abstraktes. Abstrakt ist etwas, dass man nicht sehen und nicht anfassen kann. Ein “Begriff” ist ein Wort, welches helfen soll, sich ein Bild, eine Vorstellung davon zu machen, damit man es besser (und richtig) zu fassen bekommt, also “begreifen” kann.
„Gott“ ist ein ganz besonderer Begriff, wenn wir damit das Wort meinen.
Gott ist aber deswegen besonders, weil Gott zugleich auch die erste aller Ursachen ist. Insofern auch die Ursache für alle Begriffe. „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ ist deswegen ein sehr wichtiger und richtiger, aber auch ein komplizierter Satz aus dem Evangelium des Johannes. Johannes war einer der Jünger Jesu. Und er hat vieles aufgeschrieben, von dem, was er mit Jesus erlebt und von Jesus gelernt hat.
Jesus ist Gott. Gott, der als Mensch auf die Erde kam.
Doch Jesus war kein “Christ”. Er wollte keine neue Kirche gründen. Er, Jesus, wollte die Menschen zur Umkehr bewegen. Und das macht in seinem Fall auch Sinn, denn Jesus war Gott, der als Mensch zu den Menschen kam. Deswegen kann man völlig zu Recht sagen, dass Jesus die Menschen bekehren wollte. Er wollte sie dazu einladen, Gott wieder zu entdecken.
Aber er wollte sie nicht dazu einladen, „Christen“ zu werden. Denn “Christus” bedeutet ursprünglich “der Gesalbte”, der “Messias”, der von Gott gesandte “Erlöser” der Menschheit. Erst nach und nach hat sich das Wort “Christentum” als ein Begriff entwickelt. Und als solcher wird der Begriff auch sehr unterschiedlich definiert und angewendet.
Denn Jesus wurde Christus genannt, weil dies das griechische Wort ist für “Messias”. Ein “Erlöser”, der alle Menschen erlöst, die an Gott glauben. Es ging Jesus um den Glauben an Gott, den Schöpfer aller Dinge.
Die Römer sagten „Christen“ zu den Menschen, die Jesus folgten, weil sie diese (und Jesus) damit lächerlich machen wollten. Warum? Nun, vor allem deshalb, weil sie es auf eine Weise für vollkommen lächerlich hielten, dass es „nur einen Gott“ geben sollte und dass dieser „Gott“ als einfacher Mensch ohne Gold und Reichtümer auf der Welt erscheint. Die Römer glaubten nämlich an viele Götter.
Aber die Römer hatten auch Angst vor Jesus. Und deswegen haben sie ihn (als Mensch) getötet. Als Gott konnten sie ihn nicht töten.
Du fragst dich vielleicht, ob es unsere Leser verstehen, wenn wir hier von Gott und von Jesus sprechen, obwohl wir „nur einen Gott“ meinen?
Das ist tatsächlich das Geheimnis, welches Jesus den Menschen nahe bringen wollte - und tatsächlich auch verkörpert. Gott ist nach den Worten Jesu zugleich Vater und Sohn. Und auch Heiliger Geist. Aber sie sind „Eins.“ Platon hat übrigens lange vor Jesu Geburt bereits über das Paradoxon (ein Paradox ist ein scheinbarer Widerspruch) geschrieben. Im Parmenides-Dialog hat Platon über „das Eine und das Viele“ geschrieben. Was kein Widerspruch ist.
Gott ist “Eins”. Insofern als Gott die Ursache von allem ist. Der Schöpfer. Der Vater.
Gott ist aber auch „das Viele“. Er ist Vater und Mutter, männlich und weiblich (das hat Paul Young in seinem Buch „Die Hütte“ wunderbar zum Ausdruck gebracht, als er Gott, den Vater, in Gestalt von „Papa“, einer dunkelhäutigen Frau präsentierte). Und Gott ist, als Dreifaltigkeit wie es die Bibel beschreibt, Vater, Sohn und Heiliger Geist zugleich. Was paradox erscheint.
Vergiss aber nicht, dass es genau dieses Geheimnis ist, was es für uns als Menschen zu verstehen gilt: Es ist wahr, auch wenn wir diese Wahrheit im Laufe unseres Leben suchen müssen, und sie erst nach dem Tod “schauen” können. Friedrich Schiller hat es so formuliert: „[Der Weg zu Gott ist dem Menschen aufgetan], wenn man einen Weg nennen kann, was nie zum Ziel führt.“

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